Vor kurzem habe ich ein spannendes Buch gelesen. Der Roman von Isabel Allende, "Das Geisterhaus", handelt von einem chilenischen Gutsbesitzer und seiner Liebesgeschichte vor und bis zur Revolution in Chile. Der "Patron" wie ihn seine Leibeigenen nannten, beutete die Bauern aus, indem er sie ohne Lohn gegen Kost und Logie schuften liess, ihre Töchter und Ehefrauen nach Lust und Laune vergewaltigte, während die Landarbeiter und ihre Familien vollkommen rechtlos waren. Doch bald gab es junge Aufständische, die sich das nicht mehr gefallen lassen wollten. Als die "Marxisten" in einer demokratischen Landeswahl die Mehrheit gewannen und neu die Regierung stellten, konnten die erfolgsgewöhnten Grundbesitzer dies nicht akzeptieren und sie begannen die Linken mit brachialer Gewalt zu bekämpfen. Das Militär putschte am 11. Sept. 1973. Die neue Regierung regierte das Land mit Gewalt und Terror. Das nationale Fussballstadion diente als Internierungslager für sog. Subversive. Folterungen waren an der Tagesordnung. Über 3200 Tote und Verschleppte waren das Resultat dieser Unruhen unter General Augusto Pinochet (Bild). Die Leichen von Gefolterten, welche die Tortur nicht überlebten, wurden in Flugzeuge geladen und über dem Meer abgeworfen. Noch heute nach bald 50 Jahren stehen Mütter und Ehefrauen mit Plakaten vor dem Regierungsgebäude und verlangen Auskunft über den Verbleib ihrer Söhne und Ehemänner. Pinochet konnte für seine Menschenrechtsverbrechen nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Militärkreise verschleppten die Strafverfolgung so lange, bis der General 2006 im Alter von 91 Jahren starb. Das Buch wurde verfilmt mit den beiden Hauptdarstellern Meryl Streep und Glenn Close. Es lohnt sich, den Film anzusehen.
Eine Episode vor einigen Jahren in Gstaad: Wir spielten mit unserer Jazzband an einer Privatparty im grossen Garten eines deutschen Industriellen. Das Buffet war an die 50 Meter lang, voll mit erlesenen Köstlichkeiten. Als unser Bandleader um 22.00 Uhr die Hausherrin fragte, wo die Musiker essen könnten, entgegnete diese erstaunt: Ach, sie wollen essen? Darauf sind wir jetzt nicht vorbereitet. Sie flüsterte einem kravattierten und geschniegelten Bodygard etwas ins Ohr. Nach einer halben Stunde teilte uns eine Bedienstete vornehm mit, wir könnten jetzt etwas essen, aber nicht vom Buffet und bitte nicht sichtbar für die Gäste. Hinter dem Haus war ein Gartentisch mit 6 Kartonschachteln vom Pizzaservice bereitgestellt. Kein Salat dazu, ohne Teller, ohne Besteck, kein Glas Wein! Ich sehe da eine gewisse Parallele zum "Geisterhaus" in Buch und Film. Sie auch? Unsere Sängerin legte ihren Pizzakarton unter das Sitzkissen des Gartenstuhls und setzte sich darauf.
Und wie ist es heute ? So was wie in Buch und Film ist natürlich nicht mehr möglich. Da gibt es heute ja Hartz4, AHV, IV, 2. und 3. Säule, Mindestlöhne etc. Lohndumping- kontrollen durch die Gewerkschaften u.s.w. Oder doch nicht? Der Tönnies-Skandal in Deutschland gab zu reden. Der Megaschlachthof verarbeitet 30'000 Schweine pro Tag mit 1500 Fleischverarbeiter aus Polen mit sogenannten Werkverträgen. Diese verdienen 9.35 Euro pro Std. und arbeiten bis zu 16 Stunden pro Tag. Davon müssen sie ca. die Hälfte für Kost und Logie abgeben. Aufgeflogen ist der Schlamassel, weil alle 1500 Arbeiter positiv auf Covid 19 getestet wurden. Die ganze Belegschaft musste in Quarantäne - was heisst hier Quarantäne? In Zimmern mit 8 Personen, ohne Betten, nur simple Matratzen. Die Zustände wurden damit begründet, dass der Konsument billiges Fleisch wolle und dafür nicht bereit sei, mehr zu bezahlen.
Man hört oft, an der Massentierhaltung und an den Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter seien die zu geringen Margen schuld. Könnte es auch sein, dass eine gewisse Einkommensschicht auf die Preisaktionen und Billigangebote der Supermärkte angewiesen ist, wenn sie zwischendurch auch mal Fleisch essen möchte? Dies trifft nicht unbedingt auf Schweizerverhältnisse zu. Der CH-Metzgermeisterverband betont dies jedenfalls vehement. Aber auch hier zulande wird immer wieder versichert, die Margen der Grossverteiler seien zu gering. Den Beweis dafür, dass dem nicht so ist, erbringen meiner Ansicht nach gewisse deutschen Grossverteiler, die es schaffen, Schweizer-Weidefleisch um einiges günstiger als Migros und Coop anzubieten.
Kleine Anmerkung: Vor 20 Jahren hatten die Bauern am Endpreis noch einen Anteil von 50 %, heute sind es noch 20 %, auf einigen Lebensmittel nur noch 6 %. Von wegen kleine Marge! Die ausländischen FleischarbeiterInnen lassen sich dies gefallen, weil sie essen müssen. Sie erinnern sich: "Ach sie wollen essen?" Schlachthofbesitzer Tönnies brachte es immerhin trotz der "zu kleinen Margen" auf ein Vermögen von 1,7 Milliarden Euro.
Quellen: Youtube-Video der AfD, Youtube-Video Sarah Waagenknecht's Wochenschau.
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