Die Bucht von Bevaix

Wir haben Besuch auf der Magdalena, unserer 15-Meter-Jacht. Freunde von uns, Marie Louise und René übernachten in einer der Gästekabinen. Wir hatten in der Bucht von Bevaix geankert. Am Morgen nach einer ruhigen Nacht frühstücken wir auf dem Achterdeck und Marie Louise hat die Idee, einen Spaziergang in den Rebbergen zu machen. Ich sage, ja das können wir, ich muss nur nachschauen, ob mein Anker hält. Ich sehe kleine weisse Schaumkronen auf den Wellen von Westen her, der Wind hat etwas aufgefrischt bei strahlendem Sonnenschein. Ich setze mit dem Beiboot und meinen Gästen über an den Strand der Bucht. Rechts vom Landeplatz ist ein öffentlicher Badestrand mit Rundkies an einem Waldrand. Es sind schon einige Badegäste da.

Wir steigen auf den Rebberg und wandern über den Kamm. Eine wunderbare Sicht auf den See und die Bucht erfreut uns. Wir erleben ein mediteranes Gefühl. Ich sehe unsere Jacht unten im glitzernden Wasser, das macht den Captain stolz. Nach ein paar Bäumen und Sträuchern, die meine Sicht verdecken, suche ich den Blick auf die Bucht erneut. Was ist das denn ? Das Schiff - es ist nicht mehr da! Ich suche verzweifelt, doch niemand kann es mehr sehen. Unterdessen haben sich die weissen Schaumkronen verstärkt und das Blau des tiefen Wassers verdunkelt. Ich weiss, was das bedeutet. Ich erahne Böses: Der Anker hat nicht gehalten und das Schiff ist abgetrieben, doch wohin? Ich renne so schnell ich kann den Rebberg hinunter, durch das Wäldchen zum Badestrand und mich trifft fast der Schlag. Die 25-Tonnen-Jacht liegt etwa 5 Meter vom Strand längsseits des Ufers in seichtem Wasser und ist fest in den Steinen verkeilt. Badegäste umrunden das Schiff und versuchen, es wegzustossen. Ich rufe den Leuten zu: "Geht zurück, das sind 25 Tonnen Gewicht! Das ist gefährlich! Ce sont vingtcinq tonnes, attention". Eine erzürnte Frau ruft aus: "Foutées le quand avec votre pot! Machen Sie, dass Sie wegkommen mit Eurem Kahn! Das ist ein öffentlicher Strand". Ich sage: "Madamme, c'est un accident!" Wir steigen über die Badeplattform auf das Schiff und ich versuche, den Anker mit dem Beiboot weiter hinaus zu bringen. Dann betätige ich die Ankerwinde und hoffe, das Schiff so gegen den Anker hinausziehen zu können. Vergeblich. Der Anker kommt zurück zum Schiff. Von unten schlägt der Rumpf mit jeder Welle gegen die Steine. Ich denke: Da ist alles zum Teufel. Schraube, Steuerung, Kiel, Rumpf, alles! Ich rufe die Seepolizei, mache einen Notruf. Ich beschreibe meine Position und unsere Situation.

Es dauert ca. 20 Minuten, bis ein Polizeiboot von Neuchatel her auftaucht. Es kann nicht bis zu uns kommen wegen seinem Tiefgang. Ich fahre mit dem Beiboot hinaus und sie geben mir ein Tauende, das ich am Heck meiner Jacht fest mache. Dann beginnt ein langer Kampf von PS-Stärken gegen Gewicht. Nachdem an der Badeplattform einige Bretter abgerissen sind, gibt das Schiff plötzlich nach. Draussen raucht der Auspuff des Polizeibootes wie ein Fabrikschornstein. Es war als zöge jemand den Korken aus einer Flasche. Plopp - dann bewegt sich unsere Jacht rückwärts aus der Gefahren- und Badezone hinaus. Aufschnaufen. Geschafft. Die Polizisten salutieren und tuckern gemütlich davon.

Ich starte die Motoren und bin gespannt auf die Geräusche - doch nichts Aussergewöhnliches geschieht. Wir nehmen Kurs auf unseren Heimathafen. In Portalban will ich so schnell als möglich einen Taucher unter den Kiel schicken, um nachzusehen, was defekt ist. Zurück in unserer Box kommt Jüre Zutter, den ich schon per Funk verständigt habe, mit seiner Taucher-ausrüstung. Nach einem kurzen Tauchgang taucht er auf und sagt: Kein Kratzer, gar nichts. Der Bewuchs von Algen und kleinen Muscheln hat jeden Aufschlag gedämpft und Verletzungen des Rumpfes verhindert. Scheinbar hat es viel schlimmer getönt, als es war. Ich erhalte später eine Rechnung der Seepolizei über 150 Franken - keine Busse. Das war gnädig ausgegangen. Ich bedankte mich schriftlich für die Hilfe.

 

Später lasse ich mir an der Bootsaustellung in Friedrichshafen von einer Ankerfirma erklären, was falsch gelaufen ist. Bei der Bestellung meines Schiffes hatte ich ausdrücklich eine Hand-Ankerwinde gewünscht. Man will ja auch noch etwas arbeiten als Captain zur See. Die Fachleute haben errechnet, dass ich für ein 25-Tonnen-Schiff einen Anker von 45 Kilo und eine 10-mm Kette von 60 Metern Länge benötige, damit der Anker jedem Sturm wiederstehen und das Schiff auf Platz halten kann. So einen Anker hätte ich mit einer Handwinde gar nicht hochgebracht, deshalb haben sie mir wohl einen leichteren montiert, mich aber darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Ich kaufte mir einen neuen Anker und eine elektrische Winde, die ich eigenhändig montierte. Später testete ich die Einrichtung in einem Joran-Sturm vor Murten. Das Boot rutschte keinen Zentimeter. Wieder eine gute Erfahrung mehr.

 

In den Häfen unseres alten Bootsreviers hat sich vieles verändert, doch wir sind uns klar: Es war eine schöne Zeit. 35 Jahre Bootsleben, doch es fehlt uns nur gelegentlich. Kein Deck mehr Schrubben, keine Reparaturen, keine Hafengebühren, keine weite Anreise, keine Unterhaltskosten. Doch eines fehlt uns sehr: Die Stimmung wenn Sturm aufkommt - das Gieren der Taue in der Nacht, das Schlagen der Wanten gegen die Masten, das Rauschen der Wellen oder das Prasseln des Regens auf dem Achterdeck. Jetzt sind wir einfach glücklich in unserem Eigenheim. Das Achterdeck mit Blick auf den Hafen wurde ersetzt durch den Freisitz mit Blick auf das Gärtchen und die Hühner. HRJ

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