Materielle Dinge, Besitztum, Macht und Einfluss sagen mir heute nicht mehr viel. Wir haben nur noch ein verbrauchsarmes Auto, reisen nicht mehr in der Welt herum, fliegen nicht und beziehen umweltfreundlichen Wasser- und Solarstrom. Wir heizen mit Erdwärme, also mit einer Wärmepumpe-Heizung. Wir essen nur halb so viel Fleisch wie früher und achten streng darauf, dass es Schweizer-Weidefleisch aus Mutterkuhhaltung ist. Wir besitzen keine Aktien und Obligationen weil wir der Ansicht sind, dass Gewinne, die nicht aus körperlicher oder geistiger Arbeit hervorgehen, unetisch sind. Es bedeutet immer eine Bereicherung auf Kosten von Schwächeren. Kurz gesagt: Wir leben heute umweltschonend, tierschonend und so sozial wie möglich und mit kleinst möglichem Fussabdruck - also ziehmlich nachhaltig. Dies war natürlich nicht immer so.
Auch ich hatte gewisse Ambitionen, nicht reich aber zumindest wohlhabend zu werden und ich träumte davon, mit 55 Jahren finanziell unabhängig zu sein, auf einen Segeltörn zu gehen oder am Meer zu wohnen. Doch erstens kommt es anders als man zweitens denkt - oder so. Als ich 1970 eine Stelle als Orgellehrer in Bern antrat konnte ich noch nicht wissen, was daraus alles entstehen würde. 1981 gründete ich meine eigene Firma, das Pianohaus H.R. Jordi. Es ging aufwärts und wir konnten erstmals etwas Geld auf die Seite legen. Die Autos wurden teurer und der Modellwechsel erfolgte im Zweijahrestakt.
Ich war schon als kleiner Junge ein Schiffsfan. Mein Vater hatte mir ein ca. 1 Meter langes Holzboot gezimmert, das ich an einer Schnur durch den Dorfbach zog. So ist es nicht erstaunlich, dass ich begeistert war, als mir ein Kollege sein kleines Böötchen am Murtensee in den Ferien zum Gebrauch übeliess. Daraus folgten Bootskäufe vom ersten Occasion-4-Plätzer mit Aussenborder bis zur ersten, zweiten und dritten Motorjacht. Ich war jetzt stolzer Captain eines Stahl-Trawlers auf dem Neuenburgersee.
Das Schiff wurde in Holland nach meinen eigenen Zeichnungen gebaut. Ich reiste während der 14-monatigen Bauzeit 6 mal hin um die Bauphasen zu begleiten. Die "Magdalena", nach dem Namen meiner Frau, wurde zu unserer schwimmenden Zweitwohnung. Wir verzichteten auf Auslandferien und Flugreisen. Die Meldungen an Ostern über den Stau am Gotthard verfolgten wir immer mit Schmunzeln am Radio auf dem See. Nun habe ich schon ein wenig plagiert, aber es war halt der Höhepunkt meiner materiellen Erfolge. Insgesamt betrieben wir den Wassersport 35 Jahre lang. Es war eine sehr schöne Zeit. Doch jedem Aufstieg folgt auch ein Abstieg. Davon mehr in einem anderen Kapitel. HRJ
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